In der Umweltbewegung ist schon früh darüber gestritten worden, ob demokratische Verfahren für die ökologische Wende nicht hinderlich seien. Die "Fridays for Future"-Bewegung machte genau dies zum Programm: Die Politiker sollen endlich die Vorschläge „der Wissenschaft“ umsetzen!

Diese Forderung ist doppelt blind: Selbst wenn die ökologischen Ziele eindeutig sind, gibt es jedenfalls mehrere Wege, um sie zu erreichen. Zwischen ihnen muss entschieden werden. Die Blindheit der Annahme, es müssten nur wissenschaftlich begründete Maßnahmen umgesetzt werden, geht jedoch weit tiefer: Sie erneuert die Kultur des Berechnens, der technologischen Beherrschbarkeit und der Selbstermächtigung. Der wissenschaftliche Prozess selbst enthält jedoch eine Fülle von Entscheidungen, wie die Geschichte der Wissenschaften immer wieder gezeigt hat. Wissenschaftliche Feststellung können schon deswegen nicht einfach „wahr“ sein.

Ein gelungener Prozess demokratischer Willensbildung legitimiert die politischen Entscheidungen nicht nur, sondern sorgt dafür, dass sie angemessener und effektiver sind: Sie nutzen das Wissen, das überall vorhanden ist. Denn jede Entscheidung muss an den lokalen, regionalen, nationalen und globalen Erfahrungen überprüft werden: Jedes Ziel kann nur umstritten sein, niemand kann den „wahren“ Weg behaupten. Die unersetzbare Stärke einer demokratischen Öffentlichkeit besteht aber darin, einen an der Wahrheit orientierten Prozess organisieren zu können – was bedingt, dass strukturelle Rahmenentscheidungen auch vom demokratischen Souverän getroffen werden müssen. Wenn - wie hier mit dem Projekt der Marktwahlen vorgeschlagen - staatliche Aufgaben sich ändern, ist der Ablauf immer gleich: In der Öffentlichkeit werden bestimmte Probleme immer artikulierter wahr genommen, bis ihre Bearbeitung schließlich auf der staatlichen Ebene institutionell verankert wird. (John Dewey) Einen solchen Prozess der möglichen Ausweitung demokratischer Souveränität erleben wir zur Zeit.